Auf die Frage „Wie wärme ich mich richtig auf?“ gibt es zwei kurze Antworten:

Antwort 1: Spezifisch

Antwort 2: Unspezifisch/ Allgemein

 

Welche Antwort die passende ist, hängt natürlich davon ab, welche Betätigung nach dem Aufwärmen erfolgen soll.

Willst Du Kniebeugen mit der Langhantel machen oder spielst Du Fußball? Steht Bankdrücken auf dem Programm oder trainierst Du Kickboxen?

Je unvorhersehbarer die Bewegungen sind, die Du ausüben wirst, desto unspezifischer und somit allgemeiner solltest Du Dich aufwärmen. Bei einem Fußballspiel oder einem Sparring beim Kickboxen wirst Du nie genau wissen, was auf Dich zukommt. Du machst schnelle, abrupte Bewegungen und Stopps, kannst ausrutschen, stolpern oder gefoult werden und plötzlich fallen.

Vor solchen Betätigungen solltest Du Dich immer mit dynamischen Dehnübungen, Steigerungsläufen/ Schattenboxen und sportartspezifischen Drills aufwärmen. So wird die bei schnellen Bewegungen entscheidende dynamische Flexibilität verbessert. Diese ist nicht zu verwechseln mit der statischen Flexibilität. Im nächsten Abschnitt mehr dazu.

Statisches Dehnen vor dem Sport solltest Du meiden, da damit Spannung aus der Muskulatur genommen wird, was diese schwächer und anfälliger für Verletzungen macht. Fußballer können ein Lied davon singen.

 

Statische und Dynamische Flexibilität

Strength Coach Charles Poliquin hat es in einem Artikel einmal so erklärt: Es kann sein, dass eine Person es nicht schafft die eigenen Zehenspitzen im Stand zu berühren (statischer Stretch), aber trotzdem einen ordentlichen High-Kick zum Kopf des Gegners ausführen kann (dynamischer Stretch). Genauso kann es sein, dass eine andere Person im Sit-and-reach (= im Sitzen die Arme nach vorne strecken) Test locker beide Hände über seine Füße hinaus strecken kann, aber nicht in der Lage ist jemand gleich großem auf Bauchnabelhöhe zu treten.

Der dynamische Stretch umfasst mehr als die Fähigkeit, den Muskel und das Bindegewebe zu entspannen. Er erfordert ebenfalls die Fähigkeit, den Antagonisten (den entgegenwirkenden Muskel) zu aktivieren, um den Muskel schnell zu stretchen.

Beim oben genannten Kick-Beispiel ist die zweite Person also in der Lage, die ischiocrurale Muskulatur (Oberschenkelrückseite, engl. Hamstrings) während eines Sit-and-reach Tests gut zu stretchen, aber sie kann ihren Quadrizeps (Oberschenkelvorderseite) nicht mit hoher Geschwindigkeit aktivieren um so die ischiocrurale Muskulatur einem schnellen Stretch auszusetzen.

Eine dynamische Dehnübung für die ischiocrurale Muskulatur wäre z.B. ein schrittweise höher werdender High-Kick oder ein Durchschwingen des Beines nach vorne, angefangen auf Knöchelhöhe, dann auf Schienbeinhöhe, dann auf Kniescheibenhöhe usw., bis die maximale Kick-/Schwinghöhe erreicht ist. Dies wird Pendel-Methode (pendulum method) genannt.  Starte auf keinen Fall direkt mit Deiner besten Jean-Claude van Damme Kick Imitation, sondern arbeite Dich schrittweise in die Dehnung!

 

Verletzungsprophylaxe

Die beste Versicherung gegen Verletzungen ist eine ausgewogene muskuläre Balance in allen Gelenken, sowie starke und flexible Muskeln und passive Strukturen. Wenn ein Muskel/Muskelfaser reißt, dann grundsätzlich deshalb, weil er zu schwach ist. Oftmals sind die entgegenwirkenden Muskeln (wie schon erwähnt: Antagonisten) ebenfalls verkürzt. Wenn ein Muskel zu viel Spannung hat ist, leiden Antagonisten oder Agonisten (mitwirkenden Muskeln). Ist z.B. der Rectus Femoris unbeweglich, ist ein Muskelfaserriss im Beinbizeps wahrscheinlich.

Die beste Verletzungsprofilaxe ist somit: verkürzte Strukturen dehnen, schwache Strukturen stärken.

Das geht am besten mit Krafttraining. Korrekt und über den vollen Bewegungsbereich ausgeführt, dehnt es ebenfalls die Muskulatur. Zusätzlich sollten Dehnübungen nach dem Training (optimaler Weise 4-6 Stunden danach, da es das parasymphatische Nervensystem einbezieht) und an Ruhetagen ausgeführt werden.

Da die verschiedenen Übungen abhängig vom Individuum sind und den Rahmen dieses Artikels sprengen würden, hier ein englischsprachiges Buch mit Dehnübungen, welches ich empfehlen kann:

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Hier noch ein Buch auf Deutsch:

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Für meine Kunden führe ich je nach Zielsetzung und Sportart verschiedene Mobilitätstests sowie ein Structural Balance Assessment durch, um Schwachpunkte zu erkennen und anschließend zu beheben. So werden oftmals Schmerzen behoben, ihr Fortschritt wird beschleunigt und die Verletzungsgefahr minimiert. Mehr über Structural Balance erfährst Du hier: https://schmiedertrainer.de/strukturelle-balance/

 

Aufwärmen vor dem Krafttraining

Es gibt Personal Trainer, die ihre Kunden vor dem Training 10 Minuten (von der Zeit, die die Kunden bezahlt haben) auf ein Laufband/ Cardiomaschine schicken, um sich dort aufzuwärmen. Die einen Trainer wissen es nicht besser, die anderen schlagen damit die Zeit tot, in der sie den Kunden sonst ihre volle Aufmerksamkeit widmen müssten.

Beim Krafttraining gibt es bei mir bezüglich der bevorstehenden Belastung keine großen Überraschungen: stehen Langhantel Kniebeugen auf dem Programm, werden auch Langhantel Kniebeugen gemacht. Das heißt: Du kannst und solltest Dich spezifisch für diese bevorstehende Übung aufwärmen.

Wichtigster Faktor bei einer Übung für mich ist, dass diese auch über den kompletten Bewegungsbereich ausgeführt wird. Etwas das man in einem Fitnessstudio selten beobachten kann – was ein Grund für mangelnde Fortschritte und die Ursache für Verletzungen bei vielen Trainierenden ist.

Auf einigen Posts auf meiner Schmieder Trainer Facebook-Seite und in den Kommentaren zu meinem „Kniebeugen – Die Fakten Artikel“ (hier lesen: https://schmiedertrainer.de/kniebeugen-die-fakten/) habe ich folgende Vorbereitung auf eine Kniebeuge bereits erwähnt.

Wenn Du Probleme hast, die Knie in der tiefen Position der Kniebeuge nach vorne über die Zehenspitzen zu schieben, um eine möglichst aufrechte Oberkörperposition beizubehalten und so Deine Bandscheiben zu entlasten, dehne Deine Wadenmuskulatur und die Achillessehnen 2-3x für 20 Sekunden statisch in der stehenden Wadenmaschine.

Sollte es in Deinem Gym keine stehende Wadenmaschine geben, improvisiere mit einem Step und einer Kurzhantel. Dehnung in der sitzenden Variante der Wadenmaschine ist auch möglich.

Des Weiteren mobilisiere ich meine Kunden bei Bedarf mit dem F.A.T.-Tool oder wende bestimmte Dehntechniken oder Akkupressurpunkte an, um ein Training über den kompletten Bewegungsbereich schmerzfrei möglich zu machen. Besonders im Schulter- und Hüftbereich ist eine solche Mobilisierung oft nötig. Diese sollte vor dem Training stattfinden, damit die Muskeln, die nun besser angesteuert werden können, einen Trainings- und Dehnungsreiz erfahren und sich so die Beweglichkeit und Kraft in diesen Bereichen langfristig verbessert. Dies ist einer der Gründe dafür, warum ich mit meinen Kunden schnelle Ergebnisse erziele.

 

Aufwärmsätze

Wie wärme ich mich am besten für Langhantel Kniebeugen mit schwerem Gewicht auf? Richtig: mit Langhantel Kniebeugen mit leichteren Gewichten.

Keine Cardio Maschine wird Deine Muskeln, Bänder, Sehnen und Dein Nervensystem auf die Belastung bei einer Kniebeuge vorbereiten. Kein Foam-Roller wird Dich über den Bewegungsbereich einer Kniebeuge beweglich machen.

Jeder Sprint zur Straßenbahn im Alltag oder auch jedes lockere Warmlaufen wäre übrigens eine größere Belastung für die Knie. Besonders bei Übergewichtigen Menschen, da bei jedem Bodenkontakt ein Vielfaches des Körpergewichtes auf das Knie wirkt.

Dafür gibt es Aufwärmsätze. Genau wie die anschließende Übung wird dabei im selben Tempo das Du für die Übung verwendest über den kompletten Bewegungsbereich gearbeitet. Der Trainierende soll ein Gefühl für die Übung bekommen und sein Körper auf das Bevorstehende vorbereitet werden. Der Puls steigt etwas, die Durchblutung und Temperatur in den Muskeln wird angeregt, das Nervensystem aktiviert – kurz: alles das, was uns herkömmliches Aufwärmen auch verspricht – nur besser.

Aus oben genannten Gründen wäre es ein großer Fehler, sich überhaupt nicht aufzuwärmen und direkt mit dem Trainingsgewicht zu starten. Das ist als würde man mit dem Auto im dritten Gang anfahren. Die Leistung ist schlecht, die Gefahr für Verschleiß (bzw. Verletzung) steigt.

Ein anderer Fehler, den man häufig in Bodybuilding-Magazinen beschrieben sieht, ist ein übertriebenes Aufwärmen.

Du möchtest beispielsweise 5 Sätze mit 6-8 Wiederholungen Bankdrücken ausführen. Dein 6 RM beträgt 90 Kg. RM = Repetition Maximum, d.h. es ist das Gewicht was Du unter normalen Umständen einmal für 6 Wiederholungen bewegen kannst.

Im ersten Satz willst Du also 8 Wiederholungen mit 80 Kg machen. Das Warm-Up sieht bei vielen Leuten so (oder so ähnlich) aus:

 

  1. Aufwärmsatz: 20 Kg (nur die Stange) x 10
  2. Aufwärmsatz: 40 Kg x 10
  3. Aufwärmsatz: 60 Kg x 8
  4. Aufwärmsatz: 70 Kg x 6

 

Das heißt Du hast insgesamt 34 Wiederholungen gemacht und 1500 Kg bewegt, bevor Du anfängst zu trainieren. Dann folgt der erste Arbeitssatz mit 80 Kg und es wird ein schlechtes Training, da Du bereits vorermüdet bist.

 

2-4 Aufwärmsätze mit steigenden Gewichten sind genug.

Starte mit mindestens 40% des Trainingsgewichtes von Deinen ersten Arbeitssatz und führe damit 4-6 Wiederholungen aus.

 

  1. Aufwärmsatz mit ~50% = 40 Kg x 4
  2. Aufwärmsatz mit ~70% = 55 Kg x 3
  3. Aufwärmsatz mit ~85% = 70 Kg x 2

 

Danach bist Du startklar für den ersten Arbeitssatz mit 80 Kg und ein großartiges Training, denn Du hast nur 9 Wiederholungen gemacht und 465 Kg bewegt, aber Dein Nervensystem aktiviert, ohne Dich zu ermüden.

 

Fazit: Hundertprozentige Sicherheit vor Verletzungen wird es nie geben. Aber man sollte die Wahrscheinlichkeit dafür durch Krafttraining, Beweglichkeitsverbesserung und optimales Aufwärmen und so gering wie möglich halten und den Fortschritt im Training durch intelligente Trainingsmethoden beschleunigen.

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